Sonntag, 30. Mai 2010

Das Klima nach Kopenhagen

Das globale Regieren in einer Krise

I. Ein doppelter Fehlschlag

Hoch waren die Erwartungen, die in der Öffentlichkeit an die Konferenz von Kopenhagen geknüpft wurden. Es sollte eine wirksame Regelung zur Stabilisierung des Klimas gefunden werden, ein Ziel, auf das sich die Staaten schon 1992 in der Rahmen-Konvention über Klimaschutz (RKK) geeinigt hatten. Unter den Wissenschaftlern herrschte Konsens darüber, dass im Laufe der Jahrzehnte bis 2020 der Anstieg der Treibhausgas-Emissionen angehalten und eine Verminderung eingeleitet werden muß, wenn eine gefährliche Erwärmung der Erde noch vermieden werden soll. Nicholas Stern bezeichnete die Konferenz deshalb als die bedeutendste internationale Versammlung seit dem Zweiten Weltkrieg.

Der erste Schritt zur Durchführung der RKK war das Kyoto-Protokoll, das 1997 unterzeichnet wurde, aber erst 2005 in Kraft trat. Die USA, damals der größte Emittent von Treibhausgasen (THG), hatten es zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert. Dies war der schwerste Mangel des Protokolls. Aber die darin vorgesehenen Minderungen der THG-Emissionen waren auch offensichtlich nicht ausreichend. Die Erwartungen richteten sich nun auf eine Neuregelung, die Ende 2012 das Kyoto-Protokoll ersetzen sollte. Der Verhandlungs-Prozess begann im Dezember 2007 in Bali. Das Thema wurde aber auch im Kreise der G 8 und mit den Schwellenländern behandelt. Auf der Grundlage des vierten Berichtes des Klimarates von 2007 entwickelte sich eine breite internationale Diskussion, an der sich gerade viele Wissenschaftler beteiligten.

Die Konferenz von Kopenhagen erfüllte die hochgespannten Erwartungen nicht. Sie endete mit einem zwiespältigen Ergebnis: Zwar wurde für die weitere Erderwärmung die 2°-Grenze als Leitplanke akzeptiert, aber man konnte sich auf keine einzige Maßnahme einigen, die dazu führen würde, den Ausstoß der THG und damit die wichtigste Ursache der Erderwärmung zu beseitigen. Zwar sollen die Verhandlungen im Herbst 2010 in Cancun fortgesetzt werden. Aber noch zeigt sich kein Weg, auf dem die gegensätzlichen Positionen überwunden werden könnten.

Dies ist gleichzeitig eine Krise des globalen Regierens, denn die Staaten haben sich bisher außerstande gezeigt, eine Lösung für das dringendste von vielen globalen Problemen zu finden. Dabei war es gelungen, dieses Problem in einem vereinbarten Verfahren im Klimarat gemeinsam zu untersuchen und ein vorher nie errechtes Maß an öffentlicher Aufmerksamkeit dafür zu gewinnen.

Jetzt wird bereits die Frage gestellt, ob man den Versuch einstellen sollte, das Problem durch eine global geltende, bindende Regelung zu lösen. Niemand kann aber bisher einen anderen Weg zeigen, der zu dem Ziel führen würde, die THG-Emissionen so schnell und so weit zu vermindern, dass die Erderwärmung und ihre äußerst gefährlichen Folgen abgewendet werden könnten. Deshalb sollte an dem Ziel einer globalen bindenden Regelung festgehalten werden. Gleichzeitig sollten alle Möglichkeiten genutzt werden, durch pragmatisches Vorgehen praktische Fortschritte zur Verminderung der THG-Emissionen zu erreichen.

Die Staaten sind einerseits unentbehrlich für eine Lösung. Andererseits hat Kopenhagen wieder gezeigt, dass viele Regierungen dem, was sie für „nationale Interessen“ ihrer Länder halten, den Vorzug vor der gemeinsamen Lösung gemeinsamer Probleme geben. Nur wenn sich die Einsicht durchsetzt, dass eine Lösung des Klima-Problems nicht nur im langfristigen Interesse aller Staaten liegt, sondern sich auch aus der gemeinsamen Versantwortung für die Zukunft der Erde als dem Lebensraum des Menschen ergibt, wird eine Einigung möglich werden

II. Gegensätzliche Interessen

Entscheidend für den Fehlschlag der Konferenz war der Gegensatz zwischen den beiden größten Emittenten: USA und China. Zwar war der neue Präsidenten bereit, über eine globale Regelung zu verhandeln. Jedoch zeigte die Behandlung der dem Senat und dem Repräsentantenhaus vorliegenden Gesetzentwürfe, an welche Grenzen sich der Präsident bei den Verhandlungen in Kopenhagen halten musste, wenn er die Ratifizierung eines Abkommens-Entwurfs nicht aufs Spiel setzen wollte. Die amerikanische Verhandlungsposition blieb deshalb weit hinter den Reduzierungen zurück, die nach den Einschätzungen des Klimarats notwendig wären und noch weiter hinter dem, was China und die Entwicklungsländern forderten.

Für die chinesische Führung war das Wichtigste, das bisherige Tempo des Wachstums der eigenen Wirtschaft nicht zu gefährden. Die Führung wollte die Armut weiter zurückdrängen und die Unterstützung der neuen Mittelschicht behalten, die vom Wirtschaftswachstum vor allem profitierte. China wusste, dass die Delegation der USA keine Zugeständnisse machen konnte, die es zu eigenen Zugeständnissen gezwungen hätten. Es konnte also die eigene Position mit aller Härte vertreten.

USA und China betrachten sich gegenseitig als gefährliche Konkurrenten auf dem Weltmarkt. Deshalb bindet der US-Kongress die Verminderung eigener Emissionen an die Bedingung, dass China ebenfalls Pflichten auf sich nimmt. China befürchtet, dass solche Forderungen gerade dazu dienen, seine Position auf dem Weltmarkt zu schwächen. Nur die EU war zu Emissions-Reduzierungen in einem Maße bereit, das im Rahmen des vom Klimarat für notwendig Gehaltenen lag. Aber sie konnte weder die USA zu einer Verbesserung ihrer Position bewegen, noch China davon überzeugen, dass eine Begrenzung seiner Emissionen notwendig und fair wäre.

Die G 77 richtete ihre Forderungen, der eigenen Tradition entsprechend, in erster Linie an die Industrieländer und meinte, an der Seite Chinas solche Forderungen besser durchsetzen zu können. Dies war ein doppelter Irrtum: Die Industrieländer machten zwar, in vager Form, finanzielle Zugeständnisse, erkannten aber nicht die alleinige Verantwortung für die Erderwärmung an. Die ärmeren Entwicklungsländer erkannten nicht, dass die Emissionen der Schwellenländer für sie genauso gefährlich sind wie die der Industrieländer und dass deshalb gerade sie das größte Interesse an einer wirksamen Vereinbarung haben müssten.


III. Die Aufteilung der Staaten in Gruppen


Das RKK von 1992, über dessen weitere Anwendung in Kopenhagen verhandelt wurde, unterscheidet scharf zwischen entwickelten und Entwicklungs-Ländern. Beide Gruppen trügen – wie es bereits in der Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung vom 14. Juni 1992 formuliert worden war - gemeinsame, aber unterschiedliche Verantwortlichkeiten. In Rio waren es die Entwicklungs- und besonders die Schwellenländer gewesen, die darauf bestanden hatten, Umweltschutz und Entwicklung in ihrem Zusammenhang zu behandeln. Sie wollten verhindern, dass bindende Vereinbarungen zum Schutz der Umwelt, einschließlich des Klimas, ihren Entwicklungsprozess, über den sie allein bestimmen wollten, hemmen könnten. Deshalb wurde auch, in Grundsatz 2 der Rio-Erklärung das „souveräne Recht“ der Staaten bekräftigt, „ihre eigenen Ressourcen entsprechend ihrer eigenen Umwelt- und Entwicklungspolitik auszubeuten“ Dahinter steht das Konzept einer „nachgeholten Entwicklung“. Dabei scheint das Verständnis von Entwicklung durch den Weg geprägt, den die Industrieländer gegangen sind. Die Entwicklungsländer sollten das Recht haben, zunächst ihren Rückstand gegenüber den Industrieländern aufzuholen und dabei nicht durch Regeln zum Schutz der Umwelt behindert zu werden. Dagegen den Industrieländern die Pflicht auferlegt, die Umweltschäden zu beseitigen, die vor allem sie angerichtet hätten. Daran wurde auch in den Verhandlungen über den Klimaschutz festgehalten.

Der Gegensatz zwischen Industrie- und Entwicklungsländern – damals als Nord-Süd-Konflikt bezeichnet - hatte sich in den internationalen Organisationen, vor allem in den VN und in UNCTAD, schon seit dem siebten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts entwickelt. Die G 77 war gegründet worden, um die Interessen der Entwicklungsländer gemeinsam besser vertreten zu können.

Offensichtlich haben sich jedoch in dieser Gruppe seitdem große Änderungen ergeben. Die wirtschaftliche Entwicklung der Schwellenländer hat sie immer weiter von den armen Entwicklungsländer entfernt und den Industrieländern angenähert. Die erfolgreichsten unter ihnen haben inzwischen ein Pro-Kopf-Einkommen, das höher ist als das einiger ärmerer Industrieländer. Angesichts des Wirtschaftswachstums in den Schwellenländern wird sich dieser Prozess fortsetzen. Die Mitglieder der Gruppe der 77 scheinen aber bisher nicht bereit, die Gruppen-Einteilung zu überprüfen, weil sie glauben, als geschlossene Gruppe in der jetzigen Konstellation eine stärkere Position gegenüber den Industrieländern zu haben.

Es ist jedoch zweifelhaft geworden, ob das Konzept der „nachgeholten Entwicklung“ durchführbar ist. Der Weg, den die Industrieländer gegangen sind, hat sich als nicht nachhaltig erwiesen. In den Industrieländern selbst verbreitet sich die Einsicht, dass er korrigiert werden muss. Er kann nicht als Muster für die Entwicklung dienen. Das RKK hat eine klare Grenze zwischen Industrieländern, die in Annex 1 aufgezählt wurden, und den übrigen Ländern gezogen.

Die ersteren sollen bei der Bekämpfung der Klimaänderungen und ihrer nachteiligen Auswirkungen die Führung übernehmen (Art. 3 Ziff. 1). Beiden Staatengruppen werden dann sehr unterschiedliche Pflichten zugewiesen (Art. 4). Im Kyoto-Protokoll übernahm aber nur ein Teil der entwickelten Staaten die Pflicht, ihren Ausstoß an Treibhausgasen zu reduzieren – den bereits damals erkennbaren Gefahren des Klimawandels wurde es nicht gerecht. Die Hoffnungen richteten sich auf eine neue Regelung, die an seine Stelle treten sollte.

Inzwischen hat sich gezeigt, dass die rasche Industrialisierung der Schwellenländer von einer enormen Zunahme des Treibhausgas-Ausstoßes begleitet war. Ein Schwellenland, China, wurde 2007 zum größten Emittenten. Es wurde berechnet, dass seine Emissionen von 2004 bis 2010 um 11 % gewachsen sind, während der IPCC nur 2,5 bis 5% erwartet hatte. Diese Emissionen tragen zu der Klimaänderung bei, unter der gerade die ärmsten Entwicklungsländer am stärksten zu leiden haben.

Die Position, die China und die G 77 in Kopenhagen vertreten haben, läuft darauf hinaus, dass die Industrieländer ihre Emissionen so weit reduzieren müssen, dass für die Emissionen der Entwicklungs- und Schwellenländer Raum geschaffen und trotzdem die Gesamtmenge der globalen Emissionen soweit vermindert wird, dass eine Erderwärmung von mehr als 2° vermieden werden kann. Was würde dies praktisch bedeuten? Ein Beispiel macht dies anschaulich: Würde China seine Emissionen in dem bisherigen Tempo weiter steigern, so müssten die Industrieländer, allein um die globalen Emissionen stabil zu halten, ihre Emissionen um die Menge zu reduzieren, die den jetzigen jährlichen Emissionen Deutschlands entspricht. Auch wenn man diese Forderung für gerecht hält: Praktisch durchführbar ist sie offensichtlich nicht.

Das bedeutet: Das Klimaproblem ist nicht lösbar, wenn die Schwellenländer nicht bereit sind, ihre Emissionen ebenfalls zu begrenzen. Dass die Industrieländer dabei vorangehen und einen wesentlich höheren Beitrag leisten müssen, ist unbestritten.
Die Reduzierung der Emissionen von Treibhausgasen ist aber nur ein Mittel, um deren Ansammlung in der Atmosphäre zu verhindern. Nur zwei Drittel des CO2, das vom Menschen erzeugt wird, gelangen in die Atmosphäre. Das restliche Drittel wird auf natürliche Weise auf der Erdoberfläche absorbiert, der größte Teil davon durch die Ozeane, der Rest auf dem Festland, und hier vor allem durch die tropischen Wälder. Die Schwächung der Absorption durch den Menschen trägt ebenso zur Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre bei wie die Emissionen. Das gilt vor allem durch das Abbrennen von Tropenwäldern, das immer noch praktiziert wird und das nicht als nachhaltiger Gebrauch nationaler Ressourcen betrachtet werden kann. Es erzeugt nicht nur riesige Mengen von CO2, sondern vernichtet für immer die Absorptionsfähigkeit dieser Wälder. Es ist bekannt, dass das Land, das auf diese Weise gewonnen wird, nur für wenige Jahre landwirtschaftlich genutzt werden kann, weil die Humusschicht nicht stark genug ist.

Der Klima-Schutz eignet sich nicht als Feld, auf dem die Benachteiligung der Entwicklungsländer in der Vergangenheit ausgeglichen werden könnte. Es geht vielmehr um die Sicherung der gemeinsamen Zukunft.

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) hatte ein Modell für das Vorgehen bis 2050 entwickelt Er geht von einem Gesamtbudget der Emissionen aus, die noch möglich sind, wenn die Emissionen bis 2050 auf eine klimaverträgliches Maß reduziert werden sollen. Diese Budget wird über den Pro-Kopf-Schlüssel gleichmäßig au die Staaten der Erde verteilt. Damit ist ein finanzieller Ausgleich zwischen Nord und Süd verbunden. Die Transferleistung dienen in erster Linie der Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen sowie der Bewahrung von Kohlenstoffsenken. Ein solcher Ansatz setzt offenbar umfassende, sehr ins Einzelne gehende, rechtlich bindende Regelungen voraus, auf die man sich in Kopenhagen nicht einigen konnte.

Das Ziel der Entwicklung kann nicht mehr die Industrialisierung in der Form sein, in der sie in den jetzigen Industrieländern vollzogen wurde. Vielmehr müssen neue Formen des Wirtschaftens entwickelt werden, die zu einer raschen und einschneidenden Reduzierung der THG-Emissionen und anderer Schädigungen der Umwelt führen. Nur eine solche Form der Industrialisierung würde auch dem Ziel der „nachhaltigen Entwicklung“ entsprechen, das 1992 in der Erklärung von Rio proklamiert wurde. Im Potsdam-Memorandum vom Oktober 2007 haben angesehene Wissenschaftler diese „große Transformation“(ein von Karl Polanyi geprägter Begriff) beschrieben. Dazu mehr in Abschn. VI.

IV. Wachsende Gefahren

Die Erderwärmung beschleunigt sich. 2007 war – zusammen mit 1998 – das zweitwärmste Jahr seit Beginn der Messungen. Die durchschnittliche Erdtemperatur war fast 0,6 ° C höher als der Durchschnitt zwischen 1951 und 1980.und lag mehr als 0,8° C über dem Durchschnitt zwischen 1881 und 1910. Die Weltorganisation für Meteorologie betrachtet die Zeit von 1998 bis 2007 als das wärmste Jahrzehnt seit Beginn der Messungen.

Dem entspricht der Anstieg der Konzentration von CO2 in der Atmosphäre. Selbst wenn die Emissionen in einem nicht zu erwartenden Idealfall nicht mehr stiegen, wäre eine weitere Erwärmung wegen der Trägheit des Klimasystems unvermeidlich. CO2 bleibt 50 bis 200 Jahre in der Atmosphäre. Das bedeutet, dass Emissionen von THG noch jahrzehntelang als Ursache für die Erderwärmung wirken.

Das Erdklima nähert sich den Kipp-Punkten, an denen sich die Erwärmung in nicht mehr zu beherrschendem Maß beschleunigen könnte:

  • Fast alle Gletscher der Welt befinden sich in einem schnellen Rückzug. Die arktische Eisbedeckung hat sich in den vergangenen 30 Jahren um etwa 30% verringert. Wissenschaftler sagen ein völliges Verschwinden des arktischen Sommer-Eises bis 2030 voraus. Eisfreie Oberflächen nehmen viel mehr Sonnenwärme auf als mit Eis bedeckte Flächen. Dadurch beschleunigt sich die Erwärmung, die ihrerseits zu noch schnellerem Abschmelzen des Eises führt. Würde das Grönland-Eis völlig abschmelzen, so wäre ein Anstieg des Meeresspiegels um 7 m zu erwarten.
  • Das Schmelzen des Perma-Frostes in der Tundra würde große Mengen Methan freisetzen, einem besonders wirksamen Treibhaus-Gas. Seine Konzentration in der Atmosphäre würde den Treibhaus-Effekt verstärken und die Erwärmung beschleunigen.
  • Die Erwärmung der Ozeane würde ihre Fähigkeit zur Absorption von CO² vermindern, so dass sich ein größerer Teil der Emissionen in der Atmosphäre ansammeln würde. So würde auch die Schädigung der Wälder durch erhöhte Temperaturen und Wasserknappheit wirken.

Würden diese Kipp-Punkte überschritten, so wäre die Erderwärmung, wenn überhaupt, nur noch mit viel größeren Anstrengungen und Opfern zu beherrschen. Deshalb ist es wichtig, so bald wie möglich, jedenfalls aber im Laufe dieses Jahrzehnts, mit strikten Begrenzungen und einschneidenden Verminderungen der Emissionen zu beginnen.

V. Bewahrung des Erdsystems

Der Klima-Schutz ist Teil einer viel größeren Aufgabe, der Bewahrung des Erdsystems als Grundlage des Lebens, auch des menschlichen Lebens. Bedeutung und Umfang dieser Aufgabe werden zwar immer mehr erkannt und von Vielen auch anerkannt. Aber die Aufgabe steht in einem Konflikt mit dem Anspruch der Staaten auf Souveränität und mit dem herkömmlichen Verständnis des Wirtschaftswachstums als Ziel der Wirtschaftspolitik.

Dass die Ausbeutung der Erde an Grenzen stößt, war eine Erfahrung, die man auf lokaler und regionaler Ebene immer wieder gemacht hatte. Gesellschaften, die sich dieser Erfahrung verschlossen, gingen zugrunde. Hardin hatte gezeigt, dass sich die Nutzer eines Ökosystems auf Regeln einigen müssen, die eine Erhaltung des Systems erlauben . Neu ist die Erkenntnis, dass die Erde als Ganze ein System darstellt, das sich selbst in einem komplexen Zusammenspiel vieler Faktoren in einem Gleichgewicht hält, das auch die Lebensbedingungen des Menschen bewahrt. Der Mensch aber hat, nachdem er seine Fähigkeiten durch die Technik vervielfacht hatte, bereits begonnen, dieses System zu stören. Er könnte es zerstören , wenn er nicht bereit ist, sein Verhalten daran anzupassen. Matthis Wackernagel hat dafür einen Maßstab entwickelt: Den Fußabdruck des Menschen, der zeigt, wie viele der vorhandenen Ressourcen der Mensch bereits verbraucht hat. Schon jetzt ist der Fußabdruck größer ist als die Erde, auf der wir leben. Es bleibt also nicht viel Zeit für die Anpassung.

Die Verletzlichkeit der Atmosphäre, eines wesentliche Teils des Erdsystems, zeigte sich bereits in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts. Die Ozonschicht, die einen Teil der ultravioletten Strahlen der Sonne ausfiltert und dadurch gesundheitliche Schäden bei Menschen und Tieren verhindert, wies über der Antarktis ein wachsendes Loch auf. Forschungen wiesen darauf hin, dass einige Industriegase, die Fluorkohlenwasserstoffe, dafür die Ursache waren. Zur Lösung dieses Problems wurden Regelungen neuer Art getroffen, Mit dem Wiener Abkommen zum Schutz der Ozonschicht (1985) und dem Protokoll von Montreal (1987) wurden neue Wege beschritten. Als Anlass zum Handeln genügte, dass menschliche Tätigkeit die Ozonschicht wahrscheinlich verändere und damit die menschliche Gesundheit wahrscheinlich gefährde. Damit wurden das Vorsorgeprinzip und der Schutz des Erdsystems zum ersten mal in bindendes Recht umgesetzt. Die Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen, sollen vollständig beseitigt werden. Die Industriestaaten sollten dabei vorangehen. Den Entwicklungsländern wurden längere Fristen für die Beseitigung der gefährliche Stoffe eingeräumt, aber auch sie übernahmen diese Verpflichtung.

Beim Schutz des Klimas hat sich die Mehrheit der Entwicklungs- und vor allem der Schwellenländer dazu bisher nicht bereit gezeigt. Die Weiterentwicklung des neuen Rechts, das dem Schutz des Erdsystems dient, ist dadurch ins Stocken geraten. Dies ist beunruhigend, weil andere Gefährdungen des Erdsystems bereits sichtbar sind und dringend einer Lösung bedürfen.

Eine dieser Gefahren ist die Verknappung des nutzbaren Wassers durch den Rückgang der Niederschläge in einigen Regionen als Folge des Klimawandels und den gewaltigen Anstieg des Wasserverbrauchs durch die wachsende Erdbevölkerung, durch die Industrie wie auch die Landwirtschaft. Der Wasserkreislauf hält sich nicht an staatliche Grenzen. Er wird durch globale oder regionale Regeln geschützt werden müssen. Die Bereitschaft, das Erdsystem durch bindende Regeln zu schützen ist im wahren Sinn des Wortes eine Überlebensfrage.


VI. Überlegungen zum weiteren Vorgehen


1. Das Bemühen, eine Einigung auf globale bindende Regeln um Schutz des Klimas zu erreichen, muss fortgesetzt werden. Die Pflicht dazu ergibt sich aus der gemeinsamen Verantwortung, die in den Erklärungen von Stockholm (1972) und Rio (1992) anerkannt wurde und auch der Rahmenkonvention über Klimaänderungen zugrunde liegt.

2. Die Blockierung, die sich bei der Kopenhagen-Konferenzgezeigt hat, kann nur überwunden werden, wenn die Destabilisierung des Klimas als Teil eines viel umfassenderen Problems erkannt und anerkannt wird: Darüber scheint mit China und der Entwicklungsländern zu wenig gesprochen worden zu sein.Es geht um die Erhaltung der Bedingungen für das Leben, auch des menschlichen Lebens, durch die Anpassung der Lebens- und Wirtschaftsweise des Menschen an das natürliche Erdsystem, das die Lebensbedingungen bisher erhalten hat. Dieses System wird durch die Lebens- und Wirtschaftsweise gefährdet, die sich im Laufe der Industrialisierung in einigen Ländern entwickelt hat. Die große Aufgabe ist nun, diese Lebens- und Wirtschaftsweise so zu transformieren, dass die natürliche Stabilisierung durch das Erdsystem nicht mehr gefährdet wird. Die Gefährdung des Klimas ist die akuteste Gefahr Ihre Vermeidung ist auch deshalb am dringlichsten, weil sich aus dem Klimawandel andere Probleme ergeben: Verknappung des Wassers in einigen Regionen, Überschwemmungen in anderen, Häufung von Katastrophen wie z.B. Wirbelstürme. Die Folgen des Klimawandels treffen die ärmeren Völker besonders stark und verschärfen das Problem der Armut, das im Rahmen der Transformation ebenfalls zu lösen ist.

3. Ziel der Transformation ist die Entwicklung von nachhaltigen Lebens- und Wirtschaftsformen und die Versorgung der wachsenden Erdbevölkerung mit den lebensnotwendigen Gütern und Diensten. Über den Grundsatz der Nachhaltigkeit besteht bereits Konsens, nicht aber über die Folgen, die sich daraus ergeben. Sie werden ein Thema der VN-Konferenz über nachhaltige Entwicklung sein, die 2012 in Rio de Janeiro abgehalten werden wird („Rio plus 20“).
Der Bericht der Weltkommission über Umwelt und Entwicklung (Brundtland-Kommission) von 1987 war ein wichtiger Beitrag zur Diskussion über die Nachhaltigkeit. Seitdem haben sich jedoch so viele neue Probleme gezeigt, dass zu überlegen ist ob eine neue Kommission eingesetzt werden sollte, um zu untersuchen, wie die notwendige Transformation gestaltet werden sollte.
Sie bedeutet für verschiedene Gruppen von Ländern offensichtlich Verschiedenes:
Die Industrieländer haben ihre Wirtschaft so umzubauen, dass sowohl der Verbrauch von Ressourcen wie auch die Belastung der Umwelt vermindert werden. Das schließt eine Änderung des Lebensstils ein. Die ärmeren Entwicklungsländer haben die Chance, ihre Entwicklung am Grundsatz der Nachhaltigkeit zu orientieren. Sie sollten dabei unterstützt werden, sowohl durch finanzielle Mittel wie auch durch die Vermittlung von Kenntnissen und Erfahrungen. Die Schwellenländer sollten den Fehler vermeiden, eine Wirtschaft aufzubauen, von der sich bereits gezeigt hat, dass sie nicht nachhaltig ist, und den Schutz der Umwelt auf später zu verschieben.

4. Da der Klima-Schutz das dringendste Problem ist, sollten im Prozess der Transformation die Maßnahmen Vorrang erhalten, die dem Klima-Wandel entgegenwirken. Dazu gehören:
- Energie-Einsparung und Verbesserung der Energie-Effizienz
- Entwicklung von alternativen Methoden der Energie-Erzeugung
- Schutz tropischer Wälder als Kohlenstoff-Senken
- Anreize für eine Verminderung der THG-Emissionen
Es zeigt sich, dass solche Anreize nur im Rahmen von global geltenden Regeln wirksam sein können. Sie bilden dann eine feste Planungsgrundlage auch für Unternehmen. Ein besonders wirksamer Anreiz wäre ein globaler Handel mit Emissionsrechten. Seine Einführung setzt aber voraus, dass jedem Staat ein fester Betrag von Emissionsrechten zugeteilt wird, der sich an der Bevölkerungszahl orientiert. Die entwickelten Länder müssten Rechte zukaufen, wenn sie die zugeteilten Rechte überschreiten wollen. Für die ärmeren Länder wäre der Verkauf von Emissionsrechten eine sichere Einkommensquelle – eine Chance, die viele von ihnen noch nicht in Betracht gezogen haben scheinen.

5. Für eine Lösung des Klima-Problems auf lange Sicht haben sich die Staaten in Kopenhagen auf das Ziel geeinigt, die Erwärmung der Erde unter 2° zu halten. Dem würde eine Begrenzung der THG-Emissionen auf das Äquivalent von 2 t CO2 pro Kopf und Jahr entsprechen. Letzten Endes muss sich die Verteilung der Emissionsrechte daran ausrichten. Ob darüber bei der Konferenz in Cancun eine Einigung zu erzielen ist, erscheint mindestens zweifelhaft.

6. Wichtig ist aber, dass noch im Laufe dieses Jahrzehnts der Zuwachs von Emissionen endet und die Verminderung beginnt. Die Industrieländer werden dazu den größten Beitrag leisten müssen. Aber ohne Beteiligung der Schwellenländer ist, wie in Abschn. IV ausgeführt, das Ziel nicht zu erreichen. Jedenfalls die Länder, deren Emissionen pro Kopf bereits jetzt über der Zielgröße von 2 t pro Kopf liegen, sollten bereit sein, den Anstieg zu begrenzen.
Unverzüglich sollten wirksame Maßnahmen zur Erhaltung der Kohlenstoff-Senken getroffen werden. Arme Länder, auf deren Gebiet tropische Wälder liegen, sollten bei ihrer Erhaltung unterstützt werden.

7. Eine Konferenz über ein so komplexes Thema zu leiten, stellt an den Vorsitzenden hohe Anforderungen. Seine Aufgabe könnte erleichtert werden, wenn ihm eine Gruppe von sachkundigen und unabhängigen Persönlichkeiten zur Seite gestellt würde, die vermittelnde Gespräche führen und Text-Entwürfe vorbereiten könnte.