Montag, 26. Januar 2009

Völkerrecht und Zukunft

Zusammenfassung

Die Langfassung dieses Artikels ist unter dem Titel "Völkerrecht und Zukunft" in der Zeitschrift für Politik, Heft 2, 2009 S. 162 erschienen.

1. Der Planet Erde ist, nach den Erkenntnissen der modernen Naturwissenschaft, ein sich selbst regulierendes System, das die Bedingungen für die Entwicklung des Lebens herausgebildet und bewahrt hat. Auch der Mensch ist von diesen Bedingungen abhängig. Er hat aber mit der Industrialisierung begonnen, das System zu stören und könnte es, wenn er sein Verhalten nicht ändert, zerstören. Daraus ergeben sich ein neues Verständnis des Menschen in seiner Umwelt und ein neuer ethischer Imperativ: Handle so, dass die Bedingungen für menschliches Leben erhalten bleibe. Unter dem Einfluss dieser neuen Ethik, die man mit Hans Jonas als Zukunftsethik bezeichnen könnte, entwickelt sich bereits eine neue Art von Recht, das nicht die Beziehungen zwischen Staaten regelt, sondern die gemeinsame Bewirtschaftung des Planeten zur Bewahrung der Lebensbedingungen.

2. Die neue Sicht der Erde zwingt auch zu einem neuen Verständnis der globalen Ordnung: Das System souveräner Staaten und das klassische Völkerrecht reichen nicht aus, um das Erdsystem zu bewahren, das bisher die Lebensbedingungen des Menschen gesichert hat. Auf der Stockholmer Konferenz über die Umwelt des Menschen 1972 wurde erstmals anerkannt, dass die natürlichen Ressourcen der Erde zum Wohl der gegenwärtigen und künftigen Generationen bewahrt werden müssen.

3. Die ersten Schritte zur Entwicklung eines neuen Rechts wurden zum Schutz der Atmosphäre unternommen: Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht (1985) und Protokoll von Montreal (1987); Rahmenübereinkommen über Klimaänderungen (1992) und Protokoll von Kyoto (1997). Aus dem ethischen Imperativ der Erhaltung echten menschlichen Lebens folgt die Pflicht, Regeln für die gemeinsame Bewirtschaftung der Erde zu entwickeln. Daraus ergibt sich eine Einschränkung der staatlichen Souveränität. Die dringendste Aufgabe, vor der die Staatengemeinschaft steht, ist eine neue Vereinbarung zum Schutz des Klimas, die weit über das Protokoll von Kyoto hinausgehen muß, wenn eine weiter Erwärmung der Erde mit ihren gefährlichen Folgen für die Lebensbedingungen des Menschen verhindert werden soll. Wenn dies gelingt, wird es ein großer Schritt in der Entwicklung des neuen Rechts, des Überlebensrechts, sein.

4. Weitere Aufgaben für diese neue Art von Recht sind z. B. Regelungen für die gemeinsame Bewirtschaftung des Wassers und für die Entwicklung der Bevölkerung. Auch Regeln zur Verhinderung eines mit Kernwaffen geführten Krieges, der die Lebensbedingungen des Menschen zerstören könnte, gehören dazu.

Angesichts dieser neuen Aufgaben steht das Völkerrecht nicht vor seinem Ende, sondern am Beginn einer neuen Epoche.

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